Mit den Augen eines Landwirts.
Blogeintrag vom 28. März 2021
Der Beginn eines neuen Lebens
Moin liebe Leser*innen,
in den kommenden Wochen und Monaten begleiten wir den Weg von unserem neugeborenen Kalb Allana. Allana ist am 20.03.2021 geboren. Allanas Mutter ist die Kuh Tina mit der Stallnummer sechs. Die Geburt verlief sehr gut und bedarf kaum Hilfe. Jedoch als Allana das Licht der Welt erblickte musste ich einmal eingreifen, da die Fruchtblase über dem Gesicht verblieben war und diese somit die Luftzufuhr störte. Die Mutter wurde nach der Geburt noch mit Elektrolyten und Wasser versorgt. Beide haben die Geburt gut überstanden.
Tina wurde am 06.06.2020 von mir besamt. Bis zum Dezember 2019 wurden unsere Kühe, wie in den letzten Jahrzehnten auch, vom Tierarzt besamt. Nach einer Fortbildung zum Eigenbestandsbesamungstechniker habe ich diese Aufgabe im Betrieb übernommen. Der Vorteil gegenüber einem externen Besamungstechniker ist die Möglichkeit, dass der Zeitpunkt der künstlichen Besamung besser gewählt werden kann.
Doch warum werden die Kühe nicht von einem Bullen, sondern künstlich besamt? Der Bulle bringt den Vorteil, dass keine Brunstbeobachtung bei den Tieren durchgeführt werden muss. Jedoch leidet die genetische Vielfalt unter dem Einsatz eines Bullen, da bei der künstlichen Besamung jede Kuh individuell besamt werden kann. Der größte Nachteil, was für unseren Betrieb auch den Ausschlag macht, ist die Gefahr, welche von dem Bullen ausgeht. Ein Bulle hat natürlich, wie auch jedes andere Tier, seinen eigenen Charakter. Bei einem Gewicht von über einer Tonne und jeder Menge ausgeschütteten Testosteron, sind die Handlungen des Bullens unvorhersehbar und die Verletzungsgefahr sehr hoch.
Eine Kuh ist 285 Tage tragend, was in etwa 20 Tage länger als bei uns Menschen ist. Das Geburtsgewicht schwankt bei einem Kalb zwischen 40 und 50 Kilogramm. Allana wog bei ihrer Geburt etwa 40 Kilogramm.
Die erste Muttermilch bzw. die erste Biestmilch ist essentiell wichtig für das Kalb. Mit der ersten Milch werden viele Abwehrstoffe in Form von Immunglobolinen dem Kalb für den Start ins Leben mitgegeben. Das Immunsystem eines Kalbes fährt mit der ersten Lebenswoche langsam hoch und übernimmt mit der dritten Lebenswoche die Immunabwehr.
Bei uns im Betrieb bleiben Mutter und Kalb im besten Fall ein paar Tage zusammen. Dies ist in erster Linie davon abhängig, ob die Mutter ihr Kalb annimmt. Es kommt leider immer wieder vor, dass eine Mutter ihr Kalb nicht annimmmt und sich nicht angemessen um das Kalb kümmert.
Nach ein paar Tagen werden Mutter und Kalb von einander getrennt. Dies hat vor allem wirtschaftliche aber auch tiergesundheitliche Gründe.
Wenn die Kälber bei den Müttern in einer Herde gehalten werden, ist die gesundheitliche Überwachung der Kälber deutlich schwerer. Dies wäre jedoch kein Ausschlagkriterium. Vor allem die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen lassen es nicht zu, dass die Kälber dauerhaft bei den Müttern bleiben können. Da die Kälber das Euter der Mutter nicht gleichmäßig besaugen, muss eine Melkanlage geschaffen werden, welche Einzelviertel melken kann und rund um die Uhr zur Verfügung steht. Die Technik steht mit einem Melkroboter zwar zur Verfügung, jedoch ist eine solche Anschaffung sehr kostenintensiv. Die erzeugte Milchmenge pro Tier, welche verkauft werden kann, sinkt hierbei selbstverständlich bei steigenden Kosten. Außerdem muss der Kuhstall etwa zwei- bis dreimal so groß gebaut werden, da der Platzbedarf deutlich steigt. Pro Liter Milch entstehen so Mehrkosten von 30 bis 40 Cent.
Dass die Kälber bei den Müttern bleiben ist technisch und auch betrieblich umsetzbar, jedoch einfach nicht wirtschaftlich darstellbar. Wenn es nach mir geht, würde ich mir auch wünschen, dass hier in Zukunft Möglichkeiten für mehr Tierwohl geschaffen werden und dabei die Kosten dennoch gedeckt werden. Allerdings glaube ich nicht, dass hier selbst in ferner Zukunft eine Lösung gefunden wird, da selbst eine viel diskutierte Tierwohlabgabe von zwei Cent pro Liter Milch bzw. 50 Cent pro Kilo Fleisch nicht umgesetzt werden kann. Sowohl politische als auch rechtliche Hindernisse scheinen in dieser Debatte aktuell unüberwindbar. Doch lassen wir uns in Zukunft überraschen.
P.S.: Die Kühe warten auch schon sehnsüchtig auf den Frühling, damit sie endlich wieder auf die Weide können.